Dienstag, 16. Oktober 2012

Der Zölibat

 

 

Einleitung

 

Der Zölibat (lat. coelebs = unvermählt) – ist die vom katholischen Priester oder Ordensangehörigen,
sowie bisweilen auch von Laien freiwillig übernommene Verpflichtung, die Keuschheit in Form der
lebenslangen Ehelosigkeit um des Himmelreiches willen, zu bewahren. Neben der römischkatholischen
Kirche kennen auch die orthodoxe, anglikanische und evangelische Kirche für
Ordensfrauen und -männer, Eremiten, geweihte Jungfrauen und Diakonissen das Versprechen bzw.
Gelübde der Ehelosigkeit. Während das zölibatäre Leben in der lateinischen Teilkirche der römischkatholischen
Kirche für die Priester verpflichtend ist, gilt dies in den katholischen Ostkirchen sowie in
den orthodoxen Kirchen nur für Bischöfe und Mönche sowie für Priester, die zum Zeitpunkt der
Weihe unverheiratet sind.
Die Zölibatsverpflichtung für Weltpriester gilt nicht in allen Teilen der katholischen Kirche. Vielmehr
ist der Zölibat in den östlichen Teilkirchen der katholischen Kirche nur für Bischöfe verpflichtend
vorgeschrieben, wobei diese meist ohnehin dem Mönchsstand entstammen, da Bischöfe vor ihrer
Weihe meist das Amt eines Archimandriten (Abtes) bekleidet haben (manchmal werden auch
verwitwete Priester zu Bischöfen geweiht). Alle Priester müssen sich jedoch auch in diesen Kirchen
vor ihrer Diakonatsweihe entscheiden, ob sie verheiratet oder zölibatär in den Weihestand treten
wollen; danach ist eine Heirat hier ebenfalls ausgeschlossen.
Nicht nur Personen, die das Weihesakrament empfangen haben, auch Ordensleute und bisweilen
Laien, etwa in katholischen Vereinigungen, entschließen sich in Einzelfällen freiwillig zur Ehelosigkeit.
Der Sonderfall einer dauernden freiwilligen Enthaltsamkeit beider Ehepartner innerhalb der Ehe wird
Josephsehe genannt, weil die Beziehung von Maria und Joseph als Vorbild gilt. Sie wird von der
Kirche aber nicht als Lebensform empfohlen, da die dauerhafte Verweigerung der Geschlechtlichkeit
in einer Ehe im Normalfall Ausdruck einer schweren Beziehungsstörung ist.

Biblische Grundlagen

 

Im Neuen Testament (Matthäus 19, 12) wird von Christus eine dreifache Ehelosigkeit unterschieden:
„Denn es gibt Ehelose, die vom Mutterleib so geboren sind, und es gibt Ehelose, die von Menschen
eheunfähig gemacht wurden, und es gibt Ehelose, die um des Himmelreiches willen sich der Ehe
enthalten“. Letztere Form der Ehelosigkeit gilt als Merkmal besonderer Christusnachfolge in der
katholischen Kirche. Christus empfiehlt einigen die Ehelosigkeit: „Wer es fassen kann, der fasse es!“
(Matthäus 19, 12). Ferner sagt Jesus: "Amen, ich sage euch: Jeder, der um des Reiches Gottes willen
Haus oder Frau, Brüder, Eltern oder Kinder verlassen hat, wird dafür schon in dieser Welt das
Vielfache erhalten und in der kommenden Welt das ewige Leben." Lk 18,29f EU. Paulus stellt im 1.
Korintherbrief fest, dass nur der Unverheiratete ganz frei ist für den Dienst Gottes (7, 32-35). Die
Apostel waren, bevor sie Christus folgten und alles verließen, mit Ausnahme des Johannes
verheiratet. So ist zum Beispiel von der Schwiegermutter des Petrus in den biblischen Texten die
Rede. Einige Apostel reisten später auch in Begleitung einer Frau. Paulus berichtet im Ersten Brief an
die Korinther (9, 4 – 6): „Haben wir nicht das Recht, eine gläubige Frau mitzunehmen, wie die übrigen
Apostel und die Brüder des Herrn und wie Kephas?“

Weitere Bibelstellen im Neuen Testament

 

Folgende Bibelstellen beziehen sich auch auf die Ehelosigkeit:
„Nicht alle können dieses Wort erfassen, sondern nur die, denen es gegeben ist. Denn es ist so:
manche sind von Geburt an zur Ehe unfähig, manche sind von den Menschen dazu gemacht und
manche haben sich selbst dazu gemacht – um des Himmelreiches willen.“
– Matthäus 19,12 EU
„Ich wünschte, alle Menschen wären 􀎀unverheiratet[ wie ich 􀎀Paulus[. Doch jeder hat seine
Gnadengabe von Gott, der eine so, der andere so.“
– 1. Korinther 7,7 EU
„Was die Frage der Ehelosigkeit angeht, so habe ich kein Gebot vom Herrn. Ich gebe euch nur einen
Rat als einer, den der Herr durch sein Erbarmen vertrauenswürdig gemacht hat. Ich meine, es ist gut
wegen der bevorstehenden Not, ja, es ist gut für den Menschen, so zu sein.“
– 1. Korinther 7,25f EU
Der Begründung des Zölibats mit der Bibel stehen jedoch auch Bibelstellen über die Ehe von
Geistlichen gegenüber:
„Wegen der Gefahr der Unzucht soll aber jeder seine Frau haben und jede soll ihren Mann haben.“
– 1. Korinther 7,2 EU
„Deshalb soll der Bischof ein Mann ohne Tadel sein, nur einmal verheiratet, nüchtern, besonnen, von
würdiger Haltung, gastfreundlich, fähig zu lehren; er sei kein Trinker und kein gewalttätiger Mensch,
sondern rücksichtsvoll; er sei nicht streitsüchtig und nicht geldgierig. Er soll ein guter Familienvater
sein und seine Kinder zu Gehorsam und allem Anstand erziehen.“
– 1. Timotheus 3,2–4 EU

Entstehung der Zölibatsverpflichtung

 

In kirchlichen Dokumenten taucht die Verpflichtung erstmals im Jahr 306 nach Christus in Texten der
Synode von Elvira (bei Granada/Spanien) auf. Ein Synodentext schrieb den im Dienst stehenden
Klerikern vor, „sich von ihren Gattinnen zu enthalten und keine Kinder mehr zu zeugen“. Diese
Vorschrift wurde von Papst Siricius im Jahr 385 auf die ganze Kirche ausgedehnt. Die Synode von
Neucäsare im Jahre 314 beschloss bereits die Absetzung dessen, der als Priester heiratete.
Bereits im 5.-7. Jahrhundert mussten die Weihekandidaten sich vielfach durch ein
Keuschheitsgelübde für immer zum Zölibat verpflichten, wie es im Abendland bei der
Subdiakonatsweihe der Fall ist. Das Jahr 1078 gilt als Datum der generellen Einführung des Zölibates.
Es wurde jedoch noch nicht überall eingehalten.
Im hohen Mittelalter vollzog sich in der Westkirche im Zuge der Kirchenreformen des 11.
Jahrhunderts der Übergang vom Enthaltsamkeitszölibat zum allgemein verbindlichen
Ehelosigkeitszölibat der Priester. Papst Benedikt VIII. ordnete im Jahre 1022 an, dass alle Geistlichen
nicht mehr heiraten dürfen. Das II. Laterankonzil im Jahr 1139 legte dann endgültig fest, dass sexuelle
Beziehungen oder Ehen dazu führen, dass ein Priester sein Amt verliert. Verstöße gegen den Zölibat
wurden mit Kirchenstrafen belegt, und bereits verheirateten Geistlichen sollten Amt und Besitz
entzogen werden. Als Begründung spielte vor allem die kultische Reinheit eine Rolle, da es für
Priester üblich wurde, die Heilige Messe täglich zu zelebrieren. Von Bedeutung war in diesem Prozess
aber auch die Tatsache, dass bei verheirateten Klerikern Kirchenbesitz an deren Kinder vererbt
worden wäre. Festgelegt wurde daher auch, dass die Kinder der Kleriker als Kirchenhörige unfrei
waren. Der König sicherte sich durch Besetzung der Fürstentümer mit Zölibatären weitgehende
Einflussmöglichkeiten beim Tod des Amtsinhabers.
In Deutschland wagten nur wenige Bischöfe, die römischen Dekrete zu verkünden. Der Bischof von
Passau wäre vom Klerus beinahe gelyncht worden und wurde schließlich vertrieben. Geistliche des
niederen Klerus waren besonders aufgebracht und protestierten zu Tausenden gegen die neuen
Gesetze. Allein in der Diözese Konstanz waren 3600 Geistliche auf einer Synode.
Das Konzil von Trient verteidigt im 16. Jahrhundert den Zölibat gegen die Reformatoren. Martin
Luther, zuvor Mönch und Priester, heiratete 41-jährig am 13. Juni 1525 die 26 Jahre alte frühere
Zisterzienser-Nonne Katharina von Bora. Hierdurch wurde die Frage der Ehelosigkeit der Priester zu
einem Streitpunkt und Unterscheidungsmerkmal der beiden christlichen Konfessionen.

Zölibat in weiteren Konfessionen

 

Orthodoxe Kirchen In den orthodoxen Kirchen werden überwiegend verheiratete Männer zu
Diakonen und Priestern geweiht, der Zölibat ist die Ausnahme.
Anglikanische Kirchengemeinschaft Die anglikanische Kirchengemeinschaft kennt keine
Zölibatsverpflichtung für Priester oder Bischöfe.
Altkatholische Kirchen In den altkatholischen Kirchen gibt es keine zwingende Verbindung zwischen
Priesterweihe und Zölibat.
Reformierte Kirchen Die reformierten Kirchen lehnten den Zölibat ab, da er nicht in der Bibel
vorgeschrieben sei.
Hinduismus Im Hinduismus leben die brahmacarin zwölf Jahre enthaltsam, um im folgenden zweiten
Lebensstadium ihre aufgestaute sexuelle Energie auf die Zeugung männlicher Nachkommen zu
verwenden. Das dritte Stadium ist ebenfalls nicht zölibatär. Im vierten Lebensstadium gegen Ende
des Lebens wählt der samnyasin neben anderen Formen der Askese auch den Verzicht auf Sexualität,
um die Erlösung aus dem Kreislauf materieller Wiederverkörperungen vorzubereiten.
Buddhismus Im Buddhismus werden Frauen teilweise als Hemmnis auf dem Weg männlicher
Mönche zur Erleuchtung angesehen. Im Theravada-Buddhismus und teilweise auch im tibetischen
Buddhismus bestimmen Ordensvorschriften für Mönche und Nonnen ein zölibatäres Leben.

Diskussion über die Zölibatsverpflichtung

 

Heutzutage wird in der katholischen Kirche diskutiert, ob nicht durch Zulassung Verheirateter zum
Priesteramt und damit durch Abänderung der Zölibatspflicht für Diözesanpriester zumindest der
Priestermangel verringert werden kann. Das Beispiel der evangelischen Kirche, in der die Amtsträger
heiraten können, zeigt jedoch, dass sich dadurch keine entscheidende Wende in der Pastoral
einstellt.
Zudem haben die Skandale von Übergriffen auf Minderjährige oder gleichgeschlechtliche
Beziehungen von Priestern in letzter Zeit zu der Vermutung geführt, das Gebot der ehelosen
Enthaltsamkeit habe sie auf derartige Abwege gebracht. Dass der Zölibat im Zusammenhang mit dem
sexuellen Missbrauch speziell von schutzbefohlenen Kindern steht, wird in der Wissenschaft
abgelehnt. Dem sexuellen Missbrauchsunwesen von einigen Priestern, mit der Lockerung des
Zölibats begegnen zu wollen, also mit vermehrter Sexualität zu bekämpfen, würde aus Sicht der
katholischen Kirche ein Feuer mit Benzin zu löschen bedeuten.
Des Weiteren würde die Weihe von Verheirateten zu Priestern aus Sicht der Kritiker dazu führen,
dass das westkirchliche Zölibat langfristig nicht mehr bestehen würde. Gleiches gelte auch für eine
frei wählbare Zölibatverpflichtung der Priesteramtskandidaten in der Katholischen Kirche.
Auf der anderen Seite haben nach Angaben der Jesuitenzeitschrift Civiltà Cattolica 2007 in den
letzten vierzig Jahren 69.000 Priester ihr Amt aufgegeben, um zu heiraten. 11.200 haben den Schritt
später bereut und sind nach einer Trennung oder nach dem Tod der Partnerin ins Amt zurückgekehrt.
Ansonsten existieren keine zuverlässigen Quellen über die Zahl solcher Beziehungen und der in ihnen geborenen Kinder.

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