Donnerstag, 6. September 2012

Träume



Träume



Im Altertum und bei den Naturvölkern tun die Götter ihren Willen und ihre Absichten den Menschen durch Träume kund. Die Bibel scheint diese Meinung zu teilen:


Hiob sagt (Hiob 33.14-18)

Denn einmal redet Gott / und zweimal, man achtet nicht darauf.
Im Traum, im Nachtgesicht, / wenn tiefer Schlaf auf die Menschen fällt, /
 im Schlummer auf dem Lager,
da öffnet er der Menschen Ohr / und schreckt sie auf durch Warnung,
um von seinem Tun den Menschen abzubringen, / den Hochmut aus dem Manne auszutreiben,
seine Seele vor dem Grab zu retten, / sein Leben davor, in den Todesschacht hinabzusteigen.



Mit seinen Propheten redet Gott deutlicher. Die großen Propheten des Alten Testaments erhalten Gottes Botschaft im Wachzustand. Mit seinem Mose spricht Gott von „Angesicht zu Angesicht“.


Hier die Beschreibung einer der vielen Rebellionen gegen Moses auf dem Weg durch die Wüste:


Num 12, 1-8

Als sie in Hazerot waren, redeten Mirjam und Aaron über Mose wegen der kuschitischen Frau, die er sich genommen hatte. Er hatte sich nämlich eine Kuschiterin zur Frau genommen.

Sie sagten: Hat etwa der Herr nur mit Mose gesprochen? Hat er nicht auch mit uns gesprochen? Das hörte der Herr.

Mose aber war ein sehr demütiger Mann, demütiger als alle Menschen auf der Erde.

Kurz darauf sprach der Herr zu Mose, Aaron und Mirjam: Geht ihr drei hinaus zum Offenbarungszelt! Da gingen die drei hinaus.

Der Herr kam in der Wolkensäule herab, blieb am Zelteingang stehen und rief Aaron und Mirjam. Beide traten vor

und der Herr sprach: Hört meine Worte! Wenn es bei euch einen Propheten gibt, so gebe ich mich ihm in Visionen zu erkennen und rede mit ihm im Traum.

Anders bei meinem Knecht Mose. Mein ganzes Haus ist ihm anvertraut.

Mit ihm rede ich von Mund zu Mund, von Angesicht zu Angesicht, nicht in Rätseln. Er darf die Gestalt des Herrn sehen. Warum habt ihr es gewagt, über meinen Knecht Mose zu reden?

Sieht man allerdings genauer hin, so fällt auf, daß Träume in der Bibel eine verhältnismäßig geringe Rolle spielen, besonders im Vergleich zu den Nachbarreligionen im alten Orient. Zu den großen Propheten spricht Gott meistens direkt oder in Visionen.

Wenn Gott im Traum spricht, wird das meistens deutlich gesagt:

Gen.15,12-13: Bei Sonnenuntergang fiel auf Abram ein tiefer Schlaf; große, unheimliche Angst überfiel ihn. Gott sprach zu Abram…

Gen.20,3 Nachts kam Gott zu Abimelech und sprach zu ihm im Traum…

1.Kön.3,5 In Gibeon erschien der Herr dem Salomo nachts im Traum und forderte ihn auf: Sprich eine Bitte aus, die ich dir gewähren soll…

Bedeutsame Träume von Israeliten sind meistens leicht verständlich und werden auch vom Träumer sofort verstanden. Sie brauchen keinen Traumdeuter.

Als Traumdeuter treten in der Bibel nur zwei Israeliten auf, Josef und Daniel. In beiden Fällen geht es um Träume von Nichtisraeliten, und die Handlung spielt in einem fremden Land. Dort (in Ägypten und Mesopotamien) gilt die Traumdeutung als schwierige und hohe Kunst.


Hier ist ein Traum aus dem Buch der Richter (Ri 7, 8-15)

Gideon entließ also alle Israeliten, jeden zu seinem Zelt, und sie nahmen die Verpflegung der Leute und ihre Widderhörner mit. Nur die dreihundert Mann behielt er bei sich. Das Lager Midians lag unterhalb von ihm in der Ebene.
In jener Nacht geschah es, dass Jahwe zu ihm sagte: Steh auf, geh zum Lager hinab; denn ich habe es in deine Gewalt gegeben.
Wenn du dich aber davor fürchtest hinabzusteigen, dann geh (zuerst allein) mit deinem Diener Pura ins Lager hinab
und höre, was man dort redet. Dann wirst du die Kraft bekommen, zum Lager hinabzuziehen. Gideon ging also mit seinem Diener Pura bis unmittelbar an die Krieger im Lager heran.
Midian und Amalek und die Leute des Ostens waren in die Ebene eingefallen, zahlreich wie die Heuschrecken, und ihre Kamele waren zahllos wie der Sand am Ufer des Meeres.
Als Gideon ankam, erzählte gerade einer dem andern einen Traum. Er sagte: Hör zu, ich hatte einen Traum: Ich sah, wie ein Laib Gerstenbrot ins Lager Midians rollte. Er gelangte bis zum Zelt und stieß dagegen, sodass es umfiel und umgestülpt dalag. Dann brach das Zelt zusammen.
Der andere antwortete: Das bedeutet nichts anderes als das Schwert des Israeliten Gideon, des Sohnes des Joasch. Gott hat Midian und das ganze Lager in seine Gewalt gegeben.
Als Gideon die Erzählung von dem Traum und seine Deutung hörte, warf er sich nieder und betete. Dann kehrte er ins Lager Israels zurück und rief: Auf! Der Herr hat das Lager Midians in eure Gewalt gegeben.


Ist dieser Traum prophetisch?
Oder ist er eine selbsterfüllende Prophezeiung?
Enthält die Erzählung eine verborgene Ironie, etwa so: Seht, was das für Angsthasen sind, sie lassen sich von ihren Träumen ins Bockshorn jagen?

Der Traum bringt dem Träumer seine Ängste und Wünsche zum Bewusstsein. Gerade dadurch kann er zur Prophezeiung werden. – Aber ist das immer die ganze Erklärung?

…………

Man kann nicht verkennen, daß die Bibel Träumen gegenüber eine gewisse Skepsis hegt, jedenfalls dann, wenn die Träumer mit prophetischem Anspruch auftreten.

Im Buch Deuteronomium sagt Moses (Deut.13, 2-4)

Wenn in deiner Mitte ein Prophet oder ein Traumseher auftritt und dir ein Zeichen oder Wunder ankündigt,
wobei er sagt: Folgen wir anderen Göttern nach, die du bisher nicht kanntest, und verpflichten wir uns, ihnen zu dienen!, und wenn das Zeichen und Wunder, das er dir angekündigt hatte, eintrifft,
dann sollst du nicht auf die Worte dieses Propheten oder Traumsehers hören; denn der Herr, euer Gott, prüft euch, um zu erkennen, ob ihr das Volk seid, das den Herrn, seinen Gott, mit ganzem Herzen und mit ganzer Seele liebt.

Also sogar wenn die Prophezeiung eintrifft, soll man nicht auf ihn hören.


Auch Jeremia äußert sich sehr deutlich (Kap.25, Vers 25-26, 28-30)

Ich habe gehört, was die Propheten reden, die in meinem Namen Lügen weissagen und sprechen: Einen Traum habe ich gehabt, einen Traum.
Wie lange noch? Haben sie denn wirklich etwas in sich, die Propheten, die Lügen weissagen und selbst erdachten Betrug?
Der Prophet, der einen Traum hat, erzählt nur einen Traum; wer aber mein Wort hat, der verkündet wahrhaftig mein Wort. Was hat das Stroh mit dem Korn zu tun? - Spruch des Herrn.
Ist nicht mein Wort wie Feuer - Spruch des Herrn - und wie ein Hammer, der Felsen zerschmettert?
Darum gehe ich nun gegen die Propheten vor - Spruch des Herrn -, die einander meine Worte stehlen.

Diese Charakterisierung des prophetischen Wortes erinnert an die bekannte Stelle im Brief an die Hebräer, 4.12

Denn lebendig ist das Wort Gottes,
kraftvoll und schärfer als jedes zweischneidige Schwert;
es dringt durch bis zur Scheidung von Seele und Geist,
von Gelenk und Mark;
es richtet über die Regungen und Gedanken des Herzens;

Diese Schärfe des prophetischen Wortes steht im Gegensatz zur Unbestimmtheit und dem Wunsch- oder Angstcharakter vieler Träume, die meistens nur etwas über den Träumer selbst aussagen.

Ein anderer Grund für das relative Zurücktreten der Träume gegenüber der direkten Offenbarung in der Bibel liegt vermutlich darin, daß die Prophetie sich immer an die Gemeinschaft als ganzes wendet. Im Alten Testament wendet sie sich an das ganze Volk Israel, später dann an die ganze Christenheit oder die ganze Menschheit. Träume dagegen sprechen in erster Linie den Träumer selbst an und nur indirekt die Gemeinschaft.

Unter dieser Einschränkung kann der Traum allerdings ein unverhofftes Geschenk sein, und dem Träumer wesentlichen Aufschluss über sich selbst geben. Da scheint es dann fast gleichgültig, ob der Traum aus einem Unbewussten aufgestiegen ist, das klüger und vollständiger ist als das Bewusstsein (Carus, Jung), oder von Gott geschickt wurde.

So passiert es nicht selten, daß Krankheiten sich früher im Traum ankündigen als das Bewusstsein sie wahrnimmt. Das war im Altertum wohlbekannt. Aristoteles erklärt es dadurch, daß am Tage das Bewusstsein durch äußere Eindrücke beschäftigt und abgelenkt wird, während im Traum schwache Reize, die von einem kranken Organ ausgehen, in voller Wirkung erscheinen.

Im Kap.4 des Buches Daniel wird ein dramatischer Fall dieser Art beschrieben.
König Nebukadnezar von Babel träumt einen Traum der ihn beunruhigt. Daniel deutet ihn. Der König wird wahnsinnig werden, wird sich aber später wieder erholen. So geschah es dann auch.




                                                                     ***

   


Josef, Träumer und Traumdeuter



Wir wollen uns jetzt mit Josef und seinen Träumen beschäftigen,  dem Josef, der 2000 Jahre vor dem Josef des Neuen Testaments lebte, und von dem dieser seinen Namen hat.

Jakob (auch Israel genannt) hatte 12 Söhne, aus denen die 12 Stämme des Volkes Israel hervorgingen. Deshalb hat Jesus gerade 12 Jünger gewählt, um auf diese Weise symbolisch das zerstreute Volk um sich zu sammeln.

Josef und Benjamin (der jüngste) waren Söhne von Jakobs Lieblingsfrau Rachel (seine andere Frau Lea war ihm in der Hochzeitsnacht untergeschoben worden).

Josef ist Jakobs Lieblingssohn, und Jakob hofft, daß er dereinst seine Nachfolge antritt. In der Erzählung es geht u.a. darum, ob Josef die mit Abraham beginnende Heilsgeschichte fortführen kann. Es wird sich herausstellen, daß das nicht der Fall ist.

Die Erzählung ist sehr sorgfältig komponiert. Sie enthält viele unscheinbare Hinweise und scheint manchmal mehrdeutig. Wir müssen sie langsam lesen.


Wir wollen lesen aus der Genesis (1.Buch Mose)

Kap. 37, Vers 1-11,    Josefs Träume


Kap. 39 Josef in Ägypten


Kap.40   Die Träume des Mundschenk und des Bäckers


Kap. 41, 1-45    Pharaos Träume



Ich schlage vor, daß ihr diese Texte zum nächsten Treffen lest bevor ihr in den Kommentar guckt.

Wer keine Zeit oder Lust hat, braucht den Kommentar nicht zu lesen. Wir werden das meiste davon wohl bei unserem Treffen besprechen.



Kommentar zu Josef



Ich halte mich im wesentlichen an

Leon R.Kass,

The Beginning of Wisdom; Reading Genesis

2003

Gelegentlich bringe ich auch Material aus

Nahum M. Sarna,

Understanding Genesis; The World of the Bible in the Light of History

1966





Josefs Träume: Gen (1.Buch Mose) Kap. 37, Vers 1-11


Vers 2


Schon ganz am Anfang Hinweise auf Josefs Charakter. Hat Josef seine Brüder vielleicht verleumdet? Später wird Potfars Frau ihn verleumden.

Andererseits ist bekannt, daß mindestens zwei der Brüder (Simeon und Levi, Kap.34) hinterlistig und brutal sind. Sein Vater hat Josef  die undankbare Aufgabe übertragen, sie zu überwachen.

Der mittelalterliche jüdische Kommentator Raschi kommentiert: was die Brüder Böses taten so: Sie aßen Fleisch von noch lebenden Tieren. Weil Josef das berichtete, wurde sein Ärmelrock in das Blut eines Ziegenbocks getaucht. Die Brüder erniedrigten die Söhne ihrer Mägde indem sie sie Sklaven nannten. Weil Josef das berichtete, wurde er selbst als Sklave verkauft. Sie wurden unerlaubter sexueller Handlungen verdächtigt. Weil er das berichtete, warf Potifars Frau ihre Augen auf ihn.

Vers 3


Der „Ärmelrock“ könnte mehr sein als ein Schmuckstück. Er könnte ein äußeres Zeichen seiner zukünftigen Position sein. Später in Ägypten wird er noch viel prächtiger gekleidet sein. Joseph wird später mehrmals seinen Rock verlieren. Er steht dann „nackt“ da.

Verse 5-11


Josefs Träume. Sind die Träume prophetisch? Sagen sie etwas über Josefs Charakter?

Leon Kass meint: Joseph zwingt seine Brüder ihm zuzuhören. Ist er naiv, arrogant, oder provoziert er sie absichtlich?

Aber es könnte auch sein, daß er selbst von seinen Träumen überrascht und verstört ist und sie deshalb erzählt.

Wie kommt Josef dazu, als Schäfer von Garben zu träumen? Pharao wird später von Ähren träumen.

Der zweite Traum noch grandioser als der erste. Josef herrscht über den ganzen Kosmos. Aber die Himmel sollen die Ehre Gottes verkünden!

Diesmal ist Jakob dabei. Leon Kass meint: Josef hofft, die Anwesenheit des Vaters werde die Brüder bewegen, seine Autorität zu akzeptieren.

Es kann aber auch sein, daß mit diesem Traum Josefs Verstörung nur gewachsen ist. Er hofft Aufschluss von seinem Vater darüber, was da mit ihm passiert, und ob diese Träume wirklich prophetisch sind. Gerade die Verdoppelung des Traumes beunruhigt ihn. Aber er bekommt keinen Aufschluss. Stattdessen demütigt ihn der Vater vor den Brüdern.

Auch der zweite Traum ist ägyptisch. Ägypten ist das Land der Magie, durch die man den Kosmos und die Götter bezwingt. – Der Vater versteht den Traum wohl, aber er spielt ihn herunter: Sterne als Brüder etc.

Einige Feinheiten des Textes gehen in der Einheitsübersetzung verloren. Es heißt wörtlich Josef „träumte einen Traum“. Das könnte andeuten, daß Josef versponnen ist in seine Träume, daß er selbst der Autor seiner Träume ist.

In der hebräischen Bibel träumen außer Josef nur Ausländer einen Traum. Der oben erwähnte Midianiter in Ri.7.13, Bäcker und Mundschenk im Gefängnis ebenso wie Pharao träumen Träume. Israeliten sehen oder hören Dinge im Traum, sie träumen keinen Traum. 

Andererseits waren sie ja tatsächlich prophetisch.


                                                                   *


Josef wird bald danach von den Brüdern nach Ägypten verkauft.

Er kommt in Ägypten an als Sklave. Seine Mutter ist schon lange tot. Sein geliebter und verehrter Vater hat ihn verraten und an die Brüder ausgeliefert, die ihn fast ermordet hätten. Er ist ganz auf sich gestellt.

Ob er sich an seine Träume erinnert?


Kap. 39


Vers 1-7


Der Herr war mit Josef. Weiß Josef davon, ahnt er es? 

Potifar kümmerte sich nur um sein Essen; die Ägypter aßen nicht mit Fremden, sie hatten ihre eigenen Speisegesetze.

Potifar ist Eunuch wie alle hohen Beamten im Palast.

Vers 6-18


Josef war schön von Gestalt.

Er ist der einzige Mann der Bibel, von dem das gesagt wird.

Schönheit ist ein gefährliches Geschenk. Wie soll ein schöner Mensch sich betragen, wie soll er auftreten? Die Schönen werden geliebt, aber können sie auch zurücklieben?

Versuchen wir uns das Leben in Potifars Haus vorzustellen. Die Frau hatte sicher schon lange ein Auge auf Josef geworfen.
Hat er es gemerkt?
Hat er sie vielleicht bewusst oder unbewusst provoziert? Was könnte dafür sprechen?
Josef scheint nicht beschämt und seine Antwort ist nicht ohne Stolz. Ist er selbstgerecht?
Ob ihm seine Keuschheit schwer fällt?

Der mittelalterliche jüdische Kommentator Raschi schreibt:

Sobald Josef sah, daß er im Hause herrschte, aß und trank er und legte sein Haar in Locken. Der Heilige, gelobt sei er, sagte zu ihm: Dein Vater trauert und du legst deine Haar! Ich werde eine Bärin gegen dich loslassen.

Wieder wird ihm sein Gewand ausgezogen – eine Art von Demaskierung?

Andererseits liegt kein Grund vor an seiner Ehrlichkeit zu zweifeln. Wenn er sagt

Wie könnte ich da ein so großes Unrecht begehen und gegen Gott sündigen?

so meint er das auch.

In Ägypten wie im ganzen Altertum außerhalb Israels galt Ehebruch nur als Vergehen gegen den Mann. Die Götter interessierten sich dafür in der Regel nicht. Josef antwortet hier ganz als Hebräer, und die Frau muss sich über seine Antwort gewundert haben.


Vers 19-20


Es ist unklar worüber Potifar wütend ist, ob nur auf Josef oder auch auf seine Frau.
Eigentlich sollte er Josef zum Tode verurteilen, aber er tut es nicht.

Rest des Kapitels


Wie immer, fällt Josef auf die Füße. Er kann verwalten und organisieren. Er ist zuverlässig, und wahrscheinlich erstattet er auch dem Gefängnisleiter Bericht über die Gefangenen, so wie er es früher mit seinen Brüdern tat.





In den beiden folgenden Kapiteln wird Josefs in Ägypten hochgeschätzte Fähigkeit der Traumdeutung ihn von ganz unten nach ganz oben bringen.




Kap. 40


Vers 1


Bäcker und Mundschenk sind dem Pharao sehr nahe. Sie sind Eunuchen und einflussreiche höhere Beamte am Hof. Der Pharao als Gottkönig reagiert sehr empfindlich auf Störungen seines körperliche Wohlbefindens. Jede Unpässlichkeit wird Bäcker und Mundschenk in die Schuhe geschoben

Vers 2


Wäre die Schuldfrage klar, würden die Köpfe rollen. Die Tatsache, daß beide ins Gefängnis geworfen werden bedeutet, daß nur ein unbestimmter Verdacht besteht. Aber es ist bekannt, daß Gefangene leichter reden. Ein zuverlässiger Aushorcher wird vielleicht Näheres erfahren.

Vers 4:

Die Einheitsübersetzung hält sich hier nicht eng genug an den Text. Besser ist: 

Der Oberste der Leibwache ordnete Josef den Männern zu und er bediente sie

Es soll sie aushorchen unter dem Vorwand sie zu bedienen.

Früher hatte er dem Vater die bösen Taten der Brüder berichtet, jetzt berichtet er dem Gefängnisvorsteher.

Vers 6-7


Sie sehen „missmutig“ aus, aber Josef spricht von „böse“ und deutet damit ein Vergehen an.

Vers 8a


Sie träumten einen Traum. Die Formulierung deutet an, daß der Traum aus ihrem Inneren aufstieg und nicht von Gott gesandt wurde.

Vers 8b


Sie schieben ihren Missmut auf das Fehlen eines Traumdeuters, aber Josef hatte ihre Gesichter vielleicht besser gelesen.

Vers 8c: Josef sagte zu ihnen: Ist nicht das Träumedeuten Sache Gottes? Erzählt mir doch!


Wir wissen schon: Bescheidenheit ist seine Sache nicht.

In Ägypten war es nicht ungewöhnlich, daß ein Traumdeuter von sich behauptete, göttliche Fähigkeiten zu haben. Mundschenk und Bäcker reagieren denn auch nicht überrascht.

Vers 9


Der Mundschenk zögert nicht, seinen Traum zu erzählen. Die Tatsache, daß er sofort spricht, könnte auf ein reines Gewissen hindeuten.

Vers 10-15: Traum des Mundschenk


Der Mundschenk geht im Traum aktiv und freudig seiner Aufgabe nach. Es offenbart ein gutes Gewissen. Dreimal erwähnt er den Pharao.

In seiner Antwort erwähnt auch Josef den Pharao dreimal.

Josef spiegelt dem Mundschenk seine optimistische Haltung zurück: Du wirst wieder in deinen alten Posten eingesetzt werden und das tun, was du eben geträumt hast.


Der Schlüssel zur Interpretation des Traumes ist die Einführung der Zeit, und Josefs Deutung von statischen Bildern als Symbole der Zeit. Das gilt auch später für Josefs Deutung von Pharaos Traum.

Leon Kass bespricht in seinem Kommentar zwei mögliche Deutungen des Textes: Nach der ersten verfügt Josef tatsächlich über ungewöhnlich tiefe Fähigkeiten, das Verborgene zu lesen. Nach der zweiten ist er nicht viel mehr als ein guter Menschenkenner und geschickter Blender.

Es folgt eine freie Übersetzung aus dem Kommentar von Leon Kass:

Die Zeit und der Verfall, der mit der Zeit einhergeht, sind zu allen Zeiten tief beunruhigend gewesen. Warum werden wir alt und sterben? 

Die Menschen haben immer versucht, Veränderung durch Unveränderliches zu erklären. Das können unzerstörbare Atome, ewige Formen, die Gesetze der Bewegung sein, oder Gott.

In ihrer Lebensführung nehmen die Menschen typischerweise zwei gegensätzliche Haltungen zur Veränderung ein: Sie versuchen sie zu verhindern und die Gegenwart zu fixieren, oder sie akzeptieren die ständige Veränderung und erhoffen sie vielleicht. Dieser Unterschied ist der Unterschied zwischen Ägypten und Israel.

Ägypten will Veränderungen verhindern und die Zeit stillstehen lassen. Die Ägypter suchten Dauer und  Ewigkeit im Irdischen, und wenn Änderung sein musste, so sollte sie zyklisch sein und immer wieder zum Ausgangspunkt zurückkehren. So wurde der  Kreislauf des Tages und des Jahres verehrt und der zyklisch an- und abschwellende Nil.

Für die Kinder Israels dagegen ist gerade die Zeit Ausdruck ihrer Identität und ihrer Hoffnung. Gott hatte Abraham das gelobte Land versprochen, aber es war noch kein Moses gekommen der sie dorthin geführt hätte. Sie sind ausgespannt zwischen einer Vergangenheit die vergangen ist, und einer Zukunft, die noch nicht ist.

In den Träumen der Ägypter ist nun auf typisch ägyptische Weise die Zeit durch räumliche Symbole dargestellt. Das zu erkennen gelingt Josef aufgrund seiner hebräischen Herkunft. Nur er kann in den räumlichen Symbole (drei Reben) die zeitliche Bedeutung (drei Tage)  erkennen.


Kass neigt dann aber doch der zweiten Deutung zu.

Diese Deutung stützt sich wesentlich auf Vers 20: Drei Tage darauf hatte der Pharao Geburtstag. Jeder wusste, daß dieser Geburtstag ein bedeutender Feiertag war, wo der Pharao Gastmähler gab, und wo anscheinend Amnestien erlassen wurden. Josef war von der Unschuld des Mundschenk überzeugt, und hat sicher den Gefängnisoberen davon Mittelung gemacht. Es gehören daher keine hellseherischen Gaben dazu, die Amnestie für den Mundschenk vorauszusagen.


Vers 16-19 Traum des Bäckers


Der Bäcker erzählt seinen Traum als zweiter, erst nachdem der Mundschenk eine günstige Deutung erhalten hatte. Er ist nicht optimistisch wie der Mundschenk und spürt innerlich, daß sein Traum eine negative Botschaft enthält. Der Bäcker erwähnt Pharao nur einmal, er dient ihm nicht im Traum, sondern bemerkt nur wie erstarrt die Vögel, die das Backwerk auffressen. Es kann sein, daß er wirklich schuldig ist, und im Traum schon die Raben voraussieht die sein Fleisch fressen werden. Josef spiegelt auch ihn: Er sagt ihm genau das voraus, was er insgeheim fürchtet.

Auch diesen Traum und seine Deutung wird Josef dem Gefängnisoberen melden, und damit vielleicht zum Schicksal des Bäckers beitragen.



Kap. 41, 1-45    Pharaos Träume


Vers 1-8


Beide Träume sprechen von Hunger und Sättigung.

Das Thema einer siebenjährigen Hungersnot wurde oft in der Literatur des Nahen Ostens behandelt. Hier ein Text aus der Zeit des Pharao Djoser (Altes Reich, ca. 2700 vor Chr.)

Ich war in Not auf dem großen Thron, und alle im Palast waren unglücklich wegen eines sehr großen Übels. Der Nil war sieben Jahre nicht gekommen. Es gab wenig Korn, die Früchte vertrockneten und es gab kaum etwas zu essen.


Warum können die ägyptischen Traumdeuter die Träume nicht deuten?

Es könnte sein, daß sie die Einheit der beiden Träume nicht erkennen, die Pharao vage ahnt.

Es könnte auch sein, daß sie nicht Überbringer von schlechten Nachrichten sein wollen und lieber schweigen.

Vers 14


Zum drittenmal wird Josef aus einer Grube gezogen und zum drittenmal wechselt er seine Kleider, diesmal freiwillig.

Josef rasiert sich. Er gleicht sich damit den Ägyptern an, die sich als einziges Volk damals rasierten. Wieder der Versuch der Ägypter, der Veränderung und dem Verfall zu entgehen und in ewiger Jugend zu leben.

Vers 16


Josef stellt sich wieder als Mundstück Gottes dar. Man kann seine Antwort aber auch so übersetzen: Außer mir kann nur Gott dem Pharao eine Antwort des Friedens geben.

Vers 25


Nachdem der Pharao seinen Traum erzählt hat, kommt Josefs Antwort wie aus der Pistole geschossen.

Der Schlüssel seiner Interpretation ist wieder die Übersetzung räumlicher Symbole in zeitliche.

Vers 33


Wir erfahren nicht wie Pharao Josefs Deutung aufnimmt, denn Josef spricht sofort weiter und erteilt dem Pharao Ratschläge. Damit riskiert er, anmaßend zu erscheinend, aber er hat die Situation richtig gelesen. Pharao ist nicht so sehr an der richtigen Deutung interessiert, sondern vor allem an den Folgen für seine Herrschaft und Macht. Josefs Vorschläge müssen Musik sein in seinen Ohren. Josef schlägt einen Premierminister vor, der nur dem Pharao verantwortlich ist und die Kontrolle über das ganze Land zentralisiert. Während der Hungersnot wird die Verfügung Pharaos über alle Nahrungsmittelvorräte im Land seine Macht vergrößern und mögliche Rivalen schwächen.

Vers 37a Die Rede gefiel dem Pharao


Vermutlich gefiel ihm nicht nur die Deutung des Traumes, sondern vor allem Josefs Plan, der seine Macht vergrößern wird. Josefs Verstandesschärfe, Tatkraft und Mut (auf diese Weise vor dem Pharao aufzutreten), seine gottgleiche Selbstsicherheit, machen ihn zum idealen Kandidaten für diese Position. Dazu kommt, daß Josef keinerlei Anhang in Ägypten hat, also ausschließlich vom Pharao abhängt, der ihn jederzeit wieder verstoßen kann.

Vers 37b und allen seinen Hofleuten


kann man durchaus ironisch lesen. Dieser hebräische Sklave wird ihnen allen vor die Nase gesetzt, und sie müssen freundlich grinsen und Beifall klatschen.


In Vers 25 heißt es Gott sagt dem Pharao an, was er vorhat.

Vielleicht hatte Gott gute Gründe dafür? Diese Frage kommt Josef nicht in den Sinn. Er schlägt technisch-administrative Maßnahmen vor um Gottes Plan zu vereiteln.
   Ein von Gott geschicktes Übel erfordert drastische Maßnahmen, und der Pharao ergreift freudig die Gelegenheit sich als der stärkere „Gott“ zu erweisen

Vers 28 b …einen Mann wie diesen hier, einen, in dem der Geist Gottes wohnt?

Der Geist Gottes hatte zuletzt in Gen.1,2 über dem Chaos geschwebt, unmittelbar vor der Schöpfung. Hier spricht Pharao den Josef als Pseudogott an, der menschliche Ordnung in das Chaos der Natur bringen wird. Allerdings hatte Gott in der Schöpfung die durcheinander wirbelnden Elemente des Chaos getrennt in Licht-Finsternis, Erde-Wasser etc. Josef dagegen wird Unterschiede aufheben und alle Besitztümer Ägyptens in der Hand des Pharao vereinigen (in Kap. 47)

Vers 42 Der Pharao… bekleidete ihn mit Byssusgewändern und legte ihm die goldene Kette um den Hals.

Jetzt endlich hat Josef das für ihn passende Gewand. Er wird es tragen bis zu seinem Tod


Vers 44 ohne dich soll niemand seine Hand oder seinen Fuß regen in ganz Ägypten.

Josef hat absolute Macht über das tägliche Leben jedes Ägypters. In seiner Position wird er nicht nur Voraussicht und Klugheit brauchen, sondern auch eine Portion Rücksichtslosigkeit. Der Pharao wusste, warum er diese Position einem Ausländer übertrug. Wenn Opposition und Hass entsteht, werden sie sich auf ihn richten.

Übrigens war es nicht ungewöhnlich, daß Ausländer sehr hohe Positionen in Ägypten einnahmen. Im Buch von Sarna findet man Beispiele.

Vers 45 Der Pharao…  gab ihm Asenat, die Tochter Potiferas, des Priesters von On, zur Frau.

Josef nimmt das schweigend hin. Seinen Vater hatte der Eros getrieben, ihn treibt sein alter Traum von Herrschaft und Ehre.