Donnerstag, 22. März 2012

Der Erzengel Michael auf dem Monte Sant' Angelo in Süditalien


In der Region Apulien, die an der Südostküste Italiens gelegen ist, kann seit gut 15 Jahrhunderten der wohl größte und bekannteste Wallfahrtsort des Erzengel Michaels besucht werden.









Die kleine Stadt Monte Sant'Angelo, (zu deutsch etwa Berg des Heiligen Engels), die zur Provinz Foggia gehört, liegt im Gebirge des Gargano, und befindet sich knapp 800 Meter über dem Meerespiegel. Die Straße, welche die Besucher und Gläubigen in den Ort leitet, (aus Foggia bzw. San Giovanni Rotondo kommend) ist lediglich durch eine abenteuerliche serpentinenartige Straße zu befahren und/oder begehen. Unzählige Kurven müssen bestritten werden, welche zunächst in das neuere Monte Sant'Angelo und erst am Ende der Serpentinenstrecke in den alten Kern der Stadt führen, der auf dem Gipfel des Monte liegt, um schließlich hier an das Ziel, die Basilika des Erzengels Michael, zu gelangen.





 Die Serpentinen-Straße, von der man aus das Meer ständig im Blick hat, weist eine Ungewöhnlichkeit auf, die interessanterweise nicht beim ersten oder zweiten Besuch des Ortes und der Basilika augenfällig wurde, sondern erst beim letzten Besuch plötzlich drastisch ins Auge fiel: Der Weg nach oben ist von unzähligen Höhlen am Straßenrand begleitet, die von der Gesteinsart die Qumranhöhlen in Erinnerung rufen, die vielen sicherlich aus Berichten oder Dokumentationen über die gefundenen Schriften der Essener bekannt sein sollten.




 Die Basilika, die eine architektonische Mischung unterschiedlicher Epochen sichtbar macht, beherbergt in ihrer Tiefe, die berühmte Grotte, die durch eine lange und breite Marmortreppe (86 Stufen an der Zahl) zu erreichen ist, und in der einst im Jahre 490 der mächtige Erzengel Michael zum ersten Mal einem reichen Herrn erschien, sein Name war Elvio Emanuele, 33. Condottiero [Heeresführer] der sipontischen Armee.

[Siponte war einst der Name der ca. 15 km entfernt liegenden Küsten-und Hafenstadt, die heute Manfredonia heisst und nach dem Sohn Friedrich II
- Manfred - im Jahre 1256 nach einem schweren Erdbeben nach seinem Namen neu gegründet wurde. Unter den Bewohnern der Region im und am Gargano wird die Stadt jedoch nach wie vor Siponte genannt].

Die Basilika, oder besser die Grottenkirche liegt im Grunde genommen im Berg, womit sich der Name der Stadt begründet.

Hier befindet sich also der berühmteste Wallfahrtsort des Okzidents, welcher dem Erzengel Michael geweiht ist, bzw. um genau zu sein, den der Erzengel selbst geweiht hat.










Die Ereignisse

Eines Tages im Jahre 490 ließ ein reicher Mann, Elvio Emanuele aus Siponte, seine Herde auf dem Berg des Gargano weiden, als plötzlich sein schönster Stier verschwand. Verzweifelt suchte er sein wertvolles Tier überall, auch in den unmöglichsten und gefährlichsten Winkeln des Gebirges, konnte es aber nirgends finden, bis er es dann schließlich auf dem Gipfel des Berges in einer Höhle knieend vorfand. Vor Zorn und Wut auf den Stier richtete der Mann ein Pfeil darauf, aber statt das Tier zu töten, traf er sich unerklärlicherweise selbst in den eigenen Fuß. Betroffen und verstört über das Geschehen, beschäftigte ihn das ganze so sehr, dass er es für nötig hielt, sich zum hießigen Bischof zu begeben, um diesem den Vorfall zu berichten. Den Bischof stimmte das Ereignis ebenfalls nachdenklich und dieser verordnete sogleich drei Tage lang zu beten und Buße zu tun, um die Angelegenheit zu ergründen.

Nach Ablauf des dritten Tages, erschien dem Bischof der Erzengel Michael, der folgendes zu ihm sagte:

„ICH BIN DER ERZENGEL MICHAEL, ich bin in der immer währenden, ewigen Schwingung und Gegenwart Gottes. Die Höhle ist mir heilig, sie ist meine Wahl, ich selbst bin dessen (Be)Schützer und Wächter...dort wo sich der Fels [laut Übersetzung auch: das Gestein] öffnet, werden die Sünden den Menschen vergeben...Die Bitten, die hier im Gebet erbeten werden, sollen erhöhrt werden. Geh' also auf den Berg und weihe den Berg dem christlichen Kult.

Da auf diesem Berg zu dem damaligen Zeitpunkt auch noch heidnische Kulte gefeiert wurden, war der Bischof zunächst zögerlich, und führte den Auftrag des Erzengels nicht aus.

Die zweite Erscheinung des Erzengels sollte sich zwei Jahre später ereignen, also 492, auch wenn es wegen der historischen Ereignisse, die viel später von den Historikern angesiedelt werden diesbezüglich Widersprüchlichkeiten und Uneinigkeiten gibt. Doch das soll hier nicht von Relevanz sein.

Die Erscheinung steht im unmittelbaren Zusammenhang mit dem Krieg des Herzogs der Longobarden Grimoald [oder auch Grimvald] und den Griechen bzw. Byzantinern, die um 662/663 historisch belegt ist, als der Sieg den Longobarden bzw. den Sipontern zugeschrieben wurde, und zwar durch die Fürsprache und direkte Hilfe des Heiligen Erzengels Michael.

Demnach soll die Stadt Siponte von den feindlichen Truppen bedrängt, kurz vor der Kapitulation gestanden haben, als der Bischof mit dem Gegner einen dreitägigen Waffenstillstand aushandeln konnte, um sich vertrauensvoll an den himmlischen Heeresführer zu wenden. Und wieder: nach Ablauf des dritten Tages erfolgte die Wiedererscheinung des Erzengels Michael, der ihm einen sicheren und vollständigen Sieg über den Feind prophezeite. Im folgenden sollten die Siponter auch tatsächlich über die gegnerischen Truppen den Sieg davontragen, denn ihr Kampf wurde von den Naturgewalten unterstützt: es ereigneten sich Erdbeben, Donner und Blitze, sowie furchteinflößende Blitzstrahlen, wodurch die Feindtruppen vernichtet worden sein sollen.

Nach der Überlieferung erfolgte die dritte Erscheinung im Jahre 493. Der Bischof hatte nun allmählich begriffen, dass – nach dem errungenen Sieg – der Bitte des Erzengels Folge geleistet werden sollte, und die Höhle als Zeichen des Dankes und Anerkennung dem mächtigen Beschützer zu weihen, wobei er sich des weiteren auch der Unterstützung des Papstes (Gelasius I 492-496) mittlerweile sicher sein konnte. Aber: da erschien ihm der mächtige Erzengel und verkündete ihm, dass dies bereits geschehen sei, denn Er Selbst habe längst die Grotte bzw. Höhle geweiht.

Soviel zur schnellen Auffassungsgabe und/oder auch Mut – aus welchem Blickwinkel man es auch immer betrachten möchte – des Menschen, generell.

Daraufhin ging der Bischof mit sieben weiteren apulischen Bischöfen, dem siponter Klerus und dem Volk in Prozession zur Grotte, wobei sich die folgenden außerordentlichen Geschehnisse zutrugen: während des Gangs zur Kultstätte sahen die Menschen wie einige Adler über die Prozession im Gleitflug ihre Flügel zum Schutz vor der gellenden Sonne über die Geistlichen streckten. Als sie schließlich alle zur Grotte gelangten, fanden sie einen rauen, grobgeformten Altar vor, der von einem leuchtendroten Tuch bedeckt war, auf dem ein Kreuz stand. Im Fels fanden sie den Fußabdruck des Erzengels Michael. Es war der 29. September 493.

Die Grotte, die als einzige christliche Klutstätte nicht von menschenhand geweiht ist, gilt seitdem als Kern der „himmlischen Basilika“.



Die vierte Erscheinung Michaels am Gargano geht auf das Jahr 1656 zurück, und war von den dramatischen Umständen begleitet, in denen sich die Stadt und im Grunde ganz Süditalien (siehe die Ereignisse um San Gennaro in Neapel) befand, da zu der Zeit die Pest überall wütete. Nachdem nichts die schreckliche Ausbreitung die Epidemie verhindern konnte, wandte sich der damalige Bischof Alfonso Pucinelli an den Erzengel Michael, mit ähnlicher Taktik des Gebetes und der Buße, wie Jahrhunderte davor sein Amtsvorgänger, worauf auch ihm prompt der Erzengel erschien. Michael soll in einem schier unbeschreiblich blendenden Licht gestrahlt haben. Dieses mal verwies der Erzengel auf die Steine der felsigen Gegend, die geweiht und mit den Initialen M.A. ausgestatten werden sollten, (MICHELE ARCHANGELO). Wer diese Steine mit Treue, Hingabe und Gebet an Ihn bei sich trüge, sollte von der Pestilenz verschont bleiben. Der Bischof befolgte alles, und schon bald war die Stadt von der Pest befreit. Zur immerwährenden Erinnerung an diese Geschehnisse ließ der Bischof in der Piazza der Stadt ein Denkmal aufstellen, das sich noch heute an dem Platz befindet, genau gegenüber des Hauses und des Zimmers, indem der Bischof damals die Erzengelerscheinung hatte.

(Quelle: siehe San Michele Archangelo, Guida al Santuario, P.Jan Bogacki CSMA)




Die himmlische Basilika“

Es gibt schier unglaublich vieles zur Basilika zu berichten; von geschichtlichen, und/oder kunsthistorischen Themen möchte dieser Bericht jedoch gröstenteils absehen, und diese Aspekte nur am Rande streifen, um auf die wichtigsten vor allem mythisch-religiösen Punkte hinzuweisen.


Wie bereits weiter oben angedeutet führt eine Treppe mit 86 Stufen in die Tiefe des Berges. Diese mystische Treppe ist ein Vermächtnis des Könisghauses Anjou und stammt aus dem XIII. Jhr. Um diesen heiligen Ort zu besuchen, sollte man möglichst Zeit mitbringen, so dass man nach dem Besuch der hlg. Grotte auch das sogenannte Museum der Basilika besichtigen kann. Hierbei stellt der Besucher fest, dass es vor dieser Treppe und dem Eingang zur Basilika wie wir ihn heute kennen, zuvor den alten Eingang und die „alte Treppe“ gegeben hat, die allerdings auch erst in den letzten Jahren, im Zuge von Ausgrabungen entdeckt worden ist, und die aus der Zeit der Longobarden stammt. Die „alte Treppe“, liegt noch Tiefer als die Grotte selbst, das heisst, die Menschen vor 1500 Jahren, sind nicht wie heute, zur Grotte hinabgestiegen, sondern, sind zu ihr hinaufgestiegen.


Die (neue) Treppe wird in fünf Läufen unterteilt, die auf jeweils 4 Ebenen sogenannte Gallerien vorweist, auf denen Heiligenstatuen, Fresken der Gottesmutter oder des Heiligen Benedikts (Patron Europas), und in Stein bzw. Fels gehauene Skulpturen der Heilsgeschichte, wie Johannes der Täufer zu bewundern sind und dazu dienen den Pilger spirituell auf die Begegnung mit Michael vorzubereiten.


Des weiteren ist die Basilika in zwei Atrien unterteilt, und zwar das Atrium Superior, welches der Eingang zur Basilika ist, die sich auf der Ebene der Straße befindet, und das Atrium Interior, das ist die Vorhalle oder Vorraum, der sich am Ende der eben beschriebenen Treppe tief unten im Berg befindet.


Am Ende der Treppe angelangt, steht der Besucher (rechterhand) vor dem atemberaubenden, bronzenen, romanischen Portal, der mit den biblischen Szenen verziehrt ist, in denen der Erzengel Michael als von Gott eingesetzte zentrale Figur in die Geschichte des Menschen eingreift, beginnend am oberen linken Portal mit der Szene aus der Apokalypse des Johannes (Ap, 12, 7-10), in welcher der ERZENGEL MICHAEL das Böse besiegt.






Der linke Portalsflügel enthält – mit Ausnahme der apokalyptischen ersten Szene - alle Engelserscheinungen des AT. Auf dem rechten Torflügel enden die Sequenzen mit den Engelsszenen des NT, und schließlich mit den Erscheinungen des Erzengels Michael auf dem Monte Sant'Angelo. Darüber hinaus stehen in bogenartiger Schrift über dem Tor in lateinischer Sprache die bewegenden Worte, die gelesen und reflektiert werden sollten, bevor der Raum betreten wird:
UBI SAXA PANDUNTUR IBI PECCATA HOMINUM DIMITTUNTUR.
HAEC EST DOMUS SPECIALIS IN QUA QUAEQUE NOXIALIS ACTIO DILUITUR.


Übersetzt etwa:
Im gesamten Raum dieser Höhle/Grotte werden [sind] die Sünden den Menschen vergeben. Das ist ein besonderer Ort, in dem jegliche Schuld reingewaschen wird.


Die Grotte und ihre berühmten Besucher

Beim Eintreten in die heilige Grotte befindet sich gleich hinter dem Portal auf der rechten Seite ein Nebenaltar, dem Heiligen Franziskus von Assisi geweiht. Dieser kam im Jahre 1216 als gewöhnlicher Pilger nach Monte Sant' Angelo, und blieb vor Ehrfurcht und Demut am Eingang der Grotte stehen, da er sich für unwürdig befand, in die heilige Grotte einzutreten. Er blieb also draussen stehen, küsste einen Stein am Portal und formte darauf ein Kreuz mit dem T [Tau] Zeichen, der auch ein Bezug ist und an die Kennzeichnung der Gläubigen und der reingewaschenen Sünden erinnert, von denen in der Heiligen Schrift die Rede ist (AT: Buch Ezechiel, NT: Offenbarung des Johannes).

Mit diesem Zeichen wollte Franziskus auch darauf hinweisen, dass die Grotte von den Engeln, allen voran vom Erzengel Michael ein ausgewählter Ort ist, der für die Menschen gedacht ist, die sich den lichten göttlichen Boten weihen. Das T-Kreuz ist auf dem Stein unter dem Bild des Franziskus zu betrachten.

Die demütige, ehrerbietige und achtsame Haltung des großen Heiligen, sollte jeden der diesen Ort betritt dazu bewegen, über die tiefe Bedeutung dieses Ortes zu reflektieren.

Eine weitere bedeutende Person, die diese mystische Grotte besuchte, war Thomas von Aquin, der im selben Jahrhunder wie Franziskus dort hinpilgerte, als dieser sich wegen seiner Tätigkeit als Lektor der Philosophie in Foggia aufhielt.








Die Grotte und der Erzengel Michael

Die Michaelsgrotte ist ein großer, zum Teil „niedrig werdender“, im Sinne von „abschüssig werdender“ Raum, der auf der rechten Seite in den Berg hineingeht. Es befinden sich Bankreihen für die Gläubigen vor dem Altar. Dieser ist im Inneren des Berges, durch mehrere Stufen erhöht, und durch ein Granitgelände für die Besucher abgegrenzt. Hinter dem Altar selbst, ganz an der Grottenwand, ist der Heilige Erzengel Michael aus Marmor, in einer Urne (Aufbewahrungsort) aus Glas und Silber, zu sehen. Unter dieser Urne befindet sich der Fußabdruck des Erzengels.

Es ist möglich als Besucher den Gang hinter dem Altar zu begehen, der mich sehr berührt hat, da hier in und an der Gesteinswand unfassbar viele eingravierte und eingeschriebene Texte von Menschen zu lesen sind, die davon bezeugen, mit wieviel Hingabe die Menschen im Zuge der Jahre und Jahrhunderte an diesem Altar vorrübergezogen sein müssen und ihre Sehnsüchte, Bitten und Nöte dem Erzengel übergeben haben.

An diesem Ort haben unzählige Seelen in den letzten fünfzehn Jahrhunderten ihre Verbundenheit mit sich und Gott (wieder-)gefunden, und die Vergebung erfahren, die der Erzengel versprochen hat. Deswegen ist es so überaus wichtig, dass diese Worte über dem Portal als Hinweis an die innere Haltung beim Eintreten gelesen und geistig betrachtet werden.

Oft ist es leider so, dass viele diesen Ort betreten, ohne wirklich zu wissen, welche Kraft und Macht dieser Raum hat. Sicherlich sind Geschichte und Kunsthistorie der Basilika wichtige Elemente, doch der oder die Protagonisten des Ortes sind ohne Zweifel der Erzengel und der Mensch, der hier an diesen transzendenten Ort kommt und nach der Verbindung mit Gott sucht.

Beim näheren Betrachten Michaels, wie er in der Grotte als Statue abgebildet ist, sieht man den Erzengel wie einen römischen Legionären gekleidet. Er erscheint als Jüngling, und seine goldenen Flügel sollen seine überirdische, oder besser „himmlische“ Herkunft bezeugen. Den rechten Arm erhoben, hält er in der Rechten ein Schwert, als Geste des Kampfes und des ausführenden Schwerthiebs gegen Satan, das Tier, das ihm zu Füßen liegt, und den er besiegt hat. Die Figur des Satans ist als eine Mischung aus mehreren Tieren, das Gesicht eines Affens, die Beine eines Ziegen-oder Schafbocks, die Tatzen eines Löwen dargestellt. Darüber hinaus führt Michael am kleinen Finger der linken Hand locker den Ring einer langen Kette, an deren Ende Satan „befestigt“ wurde, und zwar an seinen Nüstern, als Zeichen der Zähmung des Tieres. Michaels linker Fuß liegt als Zeichen des Sieges auf dem Tier.

Auf diese Grotte und dieser Darstellung des Erzengels Michael gehen im Allgemeinen alle Michaelsheiligtümer und deren Rezeption in der Kunst zurück.




Welche Bedeutung hat der Erzengel Michael für uns Menschen - heute?

Heutzutage erleben wir eine – wenn man so will – schön fast kitschige Rennaissance der Engel.
Überall sieht man sie, ob als Schlüsselanhänger, auf Karten abgebildet, als Glücksbringer generell, sie scheinen seit Jahren wieder ein eindrucksvolles Comeback zu feiern. Doch welche Bedeutung sie im christlichen Glauben haben, in dem Glauben, der unsere Kultur ausmacht, davon entfernt sich unsere Seele immer mehr.

Eines der Hauptproblem des Menschen ist die allzu materialistische Vorstellung, die wir von den Dingen haben. Das ist so, weil unser Leben, unser Alltag natürlich in der Materie ist und abläuft. Unsere Vorstellung von den Dingen, erhält somit einen vorwiegend materialistischen Grund, was jedoch eine „Limitierung“, eine Begrenzung ist, die wir den Engeln, und durchweg allem Geistigen, Seelischen, „Transzendenten“ und letztlich Gott setzen. Somit haben wir die konventionelle Vorstellung von Engeln, so wie wir sie von Bildern, aus Filmen oder den Medien vielfach kennen. Aber Engel sind Schwingungen der Liebe Gottes, und das ist mit dem physischen Auge nicht zu sehen. Das Sehen der Engel ist auf einer anderen Frequenz wahrzunehmen, der wir uns völlig verschlossen haben, insofern als wir uns aussschließlich auf die Materie verlassen, und ihr unser grundlegendes Vertrauen schenken. (Davon ausgenommen sind sogenannte Seher, die geistige Wesen, Engel, Heiligen, oder Marien-und/oder Christuserscheinungen haben.)

Michael, (Micha-El, hebr.: der oder wer ist wie Gott) reinigt von den Sünden, so wie es überliefert ist u.a. aus den Erscheinungen auf dem Gargano, und das heisst für uns im Klartext heute:

Heilung der negativen Dinge des Lebens, d.h. ein „cut“, ein Loslassen, und zwar der (Ur-)Ängste, damit wir uns wieder bewusst, wachsam und achtsam für die Verbindung mit Gott öffnen, Ängste und Zweifel verlieren, das Gefühl und die Trübsal „los lassen“, dass wir allein gelassen sind oder verlassen werden.

Die Legionärskleidung mit der Michael ausgestattet ist, und die er in der Michaelsgrotte trägt, weisen auf diese spezifische Bedeutung hin. Als Soldat mit Lanze, und Schutzpanzer oder Weste vermittelt er das Bild des Kämpfers. Der Panzer ist der Schutz (Glaube und Vertrauen), die Lanze oder der Speer die Waffe (Kraft, Mut, Stärke) gegen das Böse, dass er besiegt.

Diese Attribute sollen uns Menschen eine Brücke sein, als ein Symbol dienen, seine Eigenschaften zu übernehmen bzw. anzueignen, und genau wie Michael, den Mut und die Tapferkeit, den Glauben und das Vertrauen in Gott aufbringen, um gegen „das Böse“ anzugehen, und es zu besiegen.

Aber was ist in unserem Leben „das Böse“ und wie stellt es sich dar?



Da wird sicherlich jeder seine ganz eigene Erfahrung gemacht haben. Doch was sicherlich mit diesem Bild, dass Michael als Besieger des Bösen darstellt, ausgedrückt werden soll - insbesondere in und für unsere heutige Zeit - ist die subtile Art und Weise, wie sich das Dunkle in das Leben und das Bewusstsein des Menschen unbemerkt manifestiert.

Da wir es heute nicht mehr nötig haben mit Lanze und Speer gegen gegnerische Truppen und Soldaten anzugehen, läuft der Kampf auf einer anderen Ebene ab, und den der Mensch im Eifer des Gefechtes seines Alltages, des Drucks, dem er sich aussetzt, und aussetzen muss, um in der Gesellschaft zu bestehen, nicht mehr sieht oder erkennt.


In unserer von der Materie beherrschten Welt, setzen wir uns unsere Ziele.

Aber wenn wir an die Worte des Erzengels denken, die er spricht, als er zum ersten Mal dem Bischof auf dem Gargano erscheint, „...Ich bin in der ewigen und immerwährenden Schwingung und Gegenwart Gottes“, dann müssen wir eingestehen, dass der Mensch, dieses nicht erfüllt, vielleicht auch nicht erfüllen kann, weil er ja kein Engel, sondern eben ein Mensch ist. Jedoch ist unsere Seele und unser Geist in der Lage, sich mit dieser Schwingung des Erzengels und/oder der Schutzengel zu verbinden, wenn er es denn zulässt und will. Davon zumindest spricht unsere Religion, und das finden wir in den Texten der Heiligen Schrift, ob AT oder NT wieder. Das heisst, wenn WIR uns dem öffnene, wenn WIR uns auf diese Frequenz begeben, ist es möglich Dinge zu erfahren, die nicht mit dem bloßen Auge zu erkennen sind, sondern eben mit dem Herzen, Gewissen, Intuition.

ERZengel, sind sogenannten Herrscherengel; das Wort ERZ abgeleitet von dem griech. Wort archon (jemand der ein Amt inne hat, ausführt, auch: herrschen), soll die Kraft und Macht erkennen lassen, die diese Gruppe von himmlichen Boten hat. Zwischen Ihnen und uns Menschen ist nach der Hierarchie der Engel, nur „noch“ der uns bekannte Schutzengel.
[Siehe z.B. Engelhierarchie bei Hildegard von Bingen: 1. Hierarchie oder Ring: Seraphim, Cherubim, Throne; 2. Hierarchie/Ring: Herrschaften, Fürstentümer, Gewalten; 3. Hierarchie/Ring: Mächte, Erzengel, Engel bzw. Schutzengel]

Die Menschen, die hier an den Gargano kommen, haben vielleicht diese Verbindung verloren, und suchen nach der Hilfe des Erzengels Michael, diese wiederzufinden. Das ist auf ganz banale Art und Weise ausgedrückt, worum es hier eigentlich geht. In der Suche nach Anerkennung und Erfolg, in der Verwirklichung ihrer Pläne und Ziele in der Materie, vergessen die Menschen, Gott in ihre Pläne einzubeziehen, obgleich Er - nach den Wertmaßstäben unseres Glaubens und unserer christlichen Religion - an erste Stelle kommen sollte.


Wir haben vergessen nach dem Prinzip der „Priorität“ zu leben, bzw. setzen uns die falschen Prioritäten im Leben, und erkennen es – wenn überhaupt – erst dann und daran, wenn z.B. eine Krankheit uns aufhält, oder wir den Verlust eines Menschen erleiden, oder an dem nicht-erreichen von bestimmten Zielen. Dann erst fangen die Menschen langsam an, die wirklich wesentlichen Fragen zu stellen, und zwar, was ist wirklich wichtig für unser Leben, und wie sollten wir wirklich leben?

Und Leben, dass soll heissen, mit sich und dem nächsten entsprechend umgehen, dass ist jedenfalls das, wovon Jesus spricht.

Dem Erzengel als Vorbild oder göttliche Verbindung zu haben, wenn er sagt, „Ich bin in der immerwährenden Schwingung und ewigen Gegenwart Gottes“, setzt voraus, dass Michael Gott kennt, bzw, Ihm nahe ist. Der Mensch verliert, oder vergisst diese Kenntnis, oder Verbindung zu Gott, aus vielen Gründen und aufgrund vieler Faktoren. Somit hat er in dem Sinne eine ambige, eine unklare, inkonsequente Beziehung zu Gott, da er die Wachsamkeit und die Aufmerksamkeit auf Gott „aus den Augen verliert“, sich sozusagen „aus dem Konzept“ bringen lässt.

Aber der einzige Weg für den Menschen, in dieser Gegenwart Gottes zu sein, oder zu bleiben, ist, Ihn in seine Pläne, seine Handlungen einzubeziehen, statt ihn, auszuschließen, oder ihn sogar – konsequent - zu entfernen.

Jesus sagt: „Sorgt euch nicht um euer Leben und darum, dass ihr etwas zu essen habt, noch um euren Leib und darum, dass ihr etwas anzuziehen habt. Ist nicht das Leben wichtiger als die Kleidung?[...] (Mt, 6, 19-34)

Und dabei meint er nicht, dass wir nur so „daherleben“ sollen, ohne Verantwortung und ohne Ziele. Er meint eher, dass wir lernen sollten, die Verbindung mit Gott nicht zu verlieren, indem wir Ängsten, Zweifel und Selbsüberhebung (Hybris) den Weg ebnen. Denn wer die Verbindung mit Gott behält, behält ja auch seine Ziele im Auge. Ansonsten würden wir uns nur selbst die wirklich wichtigen Dinge im Leben unterschlagen.

Und um abschließend auf die Bedeutung des Erzengels in der Grotte zu kommen, der Sieger über die Finsternis ist:
Die dunklen Mächte verwenden die gegebenen Umstände in denen wir leben (und gegen die wir uns in den schwierigen Situationen so vehement wehren) GEGEN uns, indem sie uns die Ängste geradezu als Rechtfertigung vermitteln, gerade weil die Dinge in unserem Leben nicht immer nach unseren gewünschten oder besser erzwungenen Lebensplänen und Erwartungen, nach unserer Agenda ablaufen, oder wie es die Norm der Gesellschaft (von uns) abverlangt. Die dunklen Mächte, oder auch Widersacherkräfte, arbeiten in uns indem sich das Gefühl der Sicherheit äußert, dass wir allein imstande sind für uns Verantwortung zu übernehmen, indem sie uns glauben lassen, dass wir die alleinigen Macher unseres Schicksals sind, und nur ruhig an uns selbst glauben und unseren Fähigkeiten vertrauen sollen, damit dann die Dinge so eintreten können, wie wir es erwarten und perfiderweise dabei gleichzeitig unseren Glauben an Christus dafür „benutzen“.

Aber Christus sagt, wir sollen Ihm vertrauen.



Die Bedeutung des besiegten Tieres zu Füßen des Erzengels ist die besiegte Angst, und alle Negativität, die mit ihr im Zusammenhang steht und alle Folgen die daraus entstehen und verursacht werden.

Wenn ich als Mensch vor dem Erzengel Michael trete, der mich „reinigt“, dann stelle ich mir auch klar die Frage: wie will ich - von jetzt an - sein, d.h. im Mittelpunkt stelle ich mich mit meinen Lebensfragen und meinen Lebensaufgaben und dem damit verbundenen Lebenssinn.
Michael möchte daran erinnern, dass er bei uns steht, und uns die Kraft, den Mut und das Vertrauen in das Leben und somit in Gott immerwährend überbringt, und uns durch die göttliche Gnade seines Schutzes, und seiner Führung als himmlischer Bote in jeder Situation helfend und heilend zur Seite steht, und uns dabei unterstützt zu vertrauen, dass alles seinen Sinn macht, jegliche Ängste in Stärke zu transformieren und uns darauf besinnen, das unsere Seele mit Gott >ist<.



Iris Tumolo, Göttingen, Februar 2012








Literatur:

Bilder und zur Geschichte der Basilika und den Erscheinungen des Erzengels Michael auf dem Gargano:

P. Jan Bogacki, Santuario di San Michele Arcangelo, Monte Sant'Angelo (Foggia)- Italia

Zur Deutung des Siegers über die Finsternis: Rev. Marvin Winan, Predigt

Zu Deutung und Interpretation des Erzengels Michael: Ulrich Horst, Thomas von Aquin, Die Gaben des Heiligen Geistes, Berlin: 2001